Bevor ich mein Auslandssemester angetreten habe, habe ich mich natürlich auch etwas über die Insel informiert. Hier bin ich größtenteils auf Bilder aus dem Süden von Gran Canaria gestoßen. Weitflächige Dünen, Buchten mit blauem Wasser und Hotelanlagen mit Pools und Palmen.
Die Realität sieht anders aus, und wenn man auf der Insel lebt und studiert, bekommt man tatsächlich von dem Urlaubs– Gran Canaria sehr wenig mit. Dadurch, dass Las Palmas im untouristischen Norden mit etwas kälterem Wetter liegt, trifft man hier nur selten auf Touristen. Ein paar verirren sich bei gutem Wetter dann doch in die Hauptstadt. Sie sitzen in Cafés, schwirren durch die Stadt oder nehmen Surfstunden am bekannten Strand Las Canteras.
Ich kann mich noch genau an das erste Mal erinnern als wir zu den bekannten Dünen in den Süden gefahren sind. Diese sind umgeben von Hotelblöcken, die nach Küstengesetz eigentlich illegal sind. Leider jedoch ist die Branche etwas korrupt und welches Hotel wählen Gäste lieber aus? Natürlich das mit direktem Zugang zum Strand. Hier regiert manchmal trotzdem noch Geld die Welt, ganz zum Ärger der Einwohner und Surfer Gran Canarias. Im September 2020 war der Süden eine einzige Geisterstadt: Hotels, Apartmentkomplexe, leere Pools und nur vereinzelt Gärtner, die sich um die Erhaltung der wunderschönen Gartenanlagen gekümmert haben. Riesige leere Autobahnen, angefangene, jedoch nicht abgeschlossene Baustellen. Die Zeit war dort wegen der Corona Pandemie förmlich stehen geblieben.
Wie kann man nur in diese Hotelanlagen gehen?! All Inclusive Urlaub auf so einer wunderschönen Insel – für mich an diesem Zeitpunkt unvorstellbar. Durch Freunde hatte ich ab Januar 2021 die Möglichkeit, die Insel aus dem Blickwinkel der Einwohner kennenzulernen. Die Wochenenden wurden mit frühem Aufstehen, Bocadillo schmieren und Wanderungen verbracht. Hier habe ich mich erst richtig in Gran Canaria verliebt, da sie einfach so vielfältig ist. Einerseits trocken, graubraun und verlassen, dann auf einmal Olivenhaine und Schluchten, regenwaldartige Pflanzen, Nebel, Vogelgezwitscher und so viel Grün. Jedes Mal war ich erneut begeistert und zugleich überrascht, dass der Tourismusverband von Gran Canaria vor allem mit Strand, Meer und Sommerurlaub wirbt, die Insel dann aber so viel mehr zu bieten hat.
Zum Ende des Sommersemesters hat sich die Insel dann immer weiter mit Touristen gefüllt. An den Baustellen wurde wieder gearbeitet, man sah immer mehr Tui Busse und zuletzt waren auch die Mietautos komplett ausgebucht. Der Süden war nicht mehr der stille, verlassene Ort. Zunehmend hörte man hier Menschen auf Deutsch, Holländisch und Englisch reden. Die Restaurants hatten wieder geöffnet und auch auf den Hotelbalkonen konnte man vermehrt Menschen sehen. Für das letzte Wochenende ging es auch für mich - wer hätte es gedacht - mit Freunden in eines der beliebten All-Inclusive-Resorts.
Und was kann ich sagen, die Gastfreundschaft ist auf einem sehr hohen Level, das Essen war fantastisch, mit Pool, Sauna, Wellnessbereich und Fitness waren wir gut bedient. Auch wenn der Strand genau vor der Hoteltür war, und wir sogar den Aufzug von der Hotellobby zum Strand hätten nehmen können, waren wir während des gesamten Aufenthalts kein einziges Mal außerhalb des Hotels unterwegs. Deshalb muss ich zugeben, dass sich während meines Erasmussemesters nicht nur meine Meinung bezüglich der Insel, sondern auch bezüglich dem All-inclusive Urlaub geändert hat. Wer nun aber auf Gran Canaria war und behauptet, dass die Insel nur aus Stränden besteht, graubraun und trocken ist und sonst nichts zu bieten hat, der hat Gran Canaria nicht wirklich besucht und der wunderschönen Insel keine richtige Chance gegeben.
Nina Jauch
Nina Jauch studiert International Tourismus Management am European Campus Rottal-Inn (ECRI) der Technischen Hochschule Deggendorf. Sie war während des Corona-Jahres 2021 über Erasmus+ ein Jahr auf Gran Canaria und schreibt im THD-Blog über ihre Erfahrungen im Auslandssemester.