Geht es dir auch so, du bist überempfindlich was zum Beispiel Lärm, Gerüche, Berührungen oder andere sinnliche Reize angeht? Teilweise so stark, dass du körperlich richtig erschöpft bist und am Limit läufst. Du hast Schwierigkeiten dich emotional abzugrenzen und nimmst viel mehr Gefühle und Empfindungen wahr als andere? Nun, damit bist du nicht allein und vielleicht gehörst du sogar zu den »Hochsensiblen Menschen«.
Ein täglicher Kampf
Hochsensitive Menschen führen täglich einen Kampf der vielen oft verborgen bleibt. Nicht selten werden sie als Spinner abgetan oder sie bekommen den Satz „Stell dich nicht so an“ zu hören. Viele können davon ein leidvolles Lied singen. Aber was ist Hochsensibilität denn eigentlich? Prof. Corina Greven, Professorin für Hochsensibilität am Radboud University Medical Center in den Niederlanden, forscht seit Jahren auf dem Gebiet der Hochsensibilität. Das Wichtigste für sie: „Hochsensibilität ist keine Störung, sondern eine Eigenschaft bzw. eine Persönlichkeitseigenschaft“. Laut Ihren Einschätzungen sind ca. 20 Prozent der Bevölkerung hochsensibel. Das ist eine deutlich höhere Zahl als man vielleicht glauben mag.
Vier Hauptmerkmale
Hochsensitive oder Hochsensible sind Menschen, die insgesamt sensibler also stärker auf die Reize aus der Umwelt reagieren. Die Forschung gliedert das in vier Hauptmerkmale. Zum einen haben wir den Bereich der erhöhten Wahrnehmung von Feinheiten und Nuancen in der Umgebung. Dadurch bedingt, eine eigene erhöhte emotionale Reaktivität auf diese Wahrnehmungen und eine erhöhte Zeitspanne, um diese Emotionen danach auch wieder zu verarbeiten. Zum anderen gibt es den Bereich der erhöhten Empathie. Hier spüren Hochsensible oft mehr Belastungen durch bestimmte Situationen, beispielsweise politisches Weltgeschehen, Klimathemen, beruflicher oder Studiumsstress und so weiter. All das belastet und beschäftigt »Hochsensible Menschen« länger und ausgeprägter, da sie viel tiefer in diese Themen eintauchen. Gleichzeitig macht sie das aber auch zu gern gesehenen Gesprächspartnern, da Hochsensible gerne tiefgründige Gespräche führen – oft sogar lieber als oberflächliches Geplänkel. Der Bereich der leichteren Überstimulation ist ebenfalls etwas, das für Hochsensibilität steht. Prof. Greven benennt es so, dass den Hochsensiblen ein „Filter fehlt“, der diese Eindrücke mildert. So können etwa helles Licht, laute Geräusche, starke Gerüche, größere Menschenansammlungen oder viele verschiedene Sinneseindrücke auf einmal eine Überstimulation auslösen. Diese wird von vielen Betroffenen oft als erschöpfend und teilweise sogar durch daraus folgende Kopf- oder Magenschmerzen sogar als schmerzhaft empfunden. Ein letzter Punkt ist der erhöhte Bedarf an Erholung. Hochsensible benötigen in der Regel mehr Pausen und Ruhe. Sie sind schneller erschöpft und müde und können sich dann schwieriger konzentrieren. Sie schlafen schlechter und fühlen sich öfter ausgelaugt. Und das nimmt natürlich dann auch Einfluss auf weitere körperliche Abläufe. Natürlich ist nicht bei jedem die Hochsensibilität gleich stark ausgeprägt. Es gibt hier ein Spektrum, auf dem je nach Ausprägung auch die Intension der Empfindung und Reaktion verortet ist. Einige kommen besser klar, andere haben eine niedrigere Reizschwelle.
Ist dagegen ein Kraut gewachsen?
JEIN! Viele Hochsensible entwickeln im Laufe Ihres Lebens ihre eigenen Bewältigungsmechanismen und Abläufe, wie sie mit den stetig auf sie einprasselnden Reizen umgehen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, sich therapeutische Unterstützung zu suchen. Allerdings ist das Thema Hochsensibilität leider noch nicht Standard im therapeutischen Studium oder in Praxen, und das Wissen um die Erkennung und Behandlung dieser Thematik steckt oft noch in den Kinderschuhen. Einige »Hochsensible Menschen« sind jedoch so überfordert, dass die Verarbeitung kaum noch funktioniert. Sie benötigen dann zumindest zeitweise gegebenenfalls medizinische oder medikamentöse Unterstützung. Grundsätzlich ist jedem Betroffenen zu raten, sich mit dem Thema wirklich ernsthaft zu beschäftigen und es nicht abzutun. Berichte deinem Umfeld davon, auch auf die Gefahr hin als „Spinner“ abgetan zu werden. Mache in Situationen, die zu stark belastend sind, Pausen. Und besonders wichtig ist, klar zu kommunizieren, dass es gerade zu viel ist. Ich weiß, das klingt leichter gesagt als getan. Aber Hochsensibilität ist nicht nur ein Fluch, sie kann und ist oft auch ein Segen, denn gerade »Hochsensible Menschen« haben ein feineres Gespür für ihr gegenüber und das ist beispielsweise im Beruf oder im Freundeskreis eine sehr positive Eigenschaft.
Abschließend kann man sagen, dass es wie bei allem positive und negative Aspekte bei der Hochsensibilität gibt. Das Erkennen, dass man hochsensibel ist, ist der erste Schritt. Und wenn das Thema kontinuierlich in die Öffentlichkeit rückt, wird es hoffentlich eines Tages nicht mehr „Du Spinner“ heißen, wenn jemand sagt „ich bin Hochsensibel“.
Teste dich selbst (oder jemanden aus deinem Umkreis) und finde es heraus. Nutze den Hochsensitivitätstest und prüfe, ob du zu den Menschen gehörst, die Hochsensible sind.
Selbst-Test zur Hochsensibilität von US-Psychologin Elaine Aron
Selbst-Test zur Hochsensibilität (deutsch)
Zorica Kovacevic studiert Management im sechsten Semester »Gesundheits-Sozial und Rettungswesen« an der THD. Sie macht aktuell ein Praktikum in der Abteilung HRM »Gesunde Hochschule« und interessiert sich für die Funktionen und Abläufe des Gehirns. Später würde sie beruflich gerne dabei helfen ein gesünderes und besseres Arbeits- und Lernumfeld für Menschen zu schaffen.