Island als Vorreiter in Sachen Pflege
6.12.2023 | THD Pressestelle
Während die Akademisierung der Gesundheitsberufe in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, ist sie in Island bereits seit knapp 50 Jahren Realität. Die drei Mitarbeiterinnen Dr. Christine Aumer, Anna Pahl und Elisa Johannsdottir – selbst gebürtige Isländerin – der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) waren Anfang November für fünf Tage vor Ort, um sich einen Einblick in das isländische Pflegesystem zu verschaffen. Schnell wurde den dreien klar: Pflege in Island ist, anders als in Deutschland, eine starke und eigenverantwortliche Profession.
Aumer, Pahl und Johannsdottir, Expertinnen im Fachbereich Pflege der Gesundheitsfakultät an der THD, wurden in Island von der Universität, dem Universitätsklinikum, zwei Gesundheitszentren und anderen Akteuren des Gesundheitswesens empfangen. Sie zeigten sich beeindruckt von den dortigen Prozessen und Abläufen. Seit 1986 ist die Pflegeausbildung in Island vollakademisiert. Das heißt im Detail: Jede Pflegekraft absolviert ein Bachelorstudium und kann anschließend ein Diplom- oder Masterstudium anschließen. Im Gesundheitswesen herrschen flache Hierarchien – Ärzte und Pflegekräfte arbeiten Hand in Hand zusammen. Jeder isländische Bürger und jede isländische Bürgerin ist in einem sogenannten Gesundheitszentrum registriert, wo Fachkräfte aus verschiedenen Gesundheitsberufen in multiprofessionellen Teams zusammenarbeiten. Das Resultat? Je nach Bedarf können jederzeit Sprechstunden besucht oder telefonische Beratungen in Anspruch genommen werden. 80 Prozent der Anfragen werden dabei direkt am Telefon geklärt. Die Sprechstunden werden nicht – wie in Deutschland – ausnahmslos von Hausärzten, sondern in erster Linie von Pflegekräften durchgeführt. Pflegerische Aufgaben zur Behandlung von Bagatellerkrankungen oder die Verordnung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten, Wundversorgung und das Ausstellen von Rezepten für Pflegehilfsmittel oder Physiotherapie übernehmen die sehr gut ausgebildeten Pflegefachkräfte in Island eigenverantwortlich. Spätestens zehn Tage nach der Geburt eines Kindes wird die Betreuung von der Hebamme an eine im Gesundheitszentrum tätige Pflegefachperson übergeben. Darüber hinaus gibt es in allen Schulen sogenannte „School Nurses“, die regelmäßig Untersuchungen, Entwicklungstests, Impfungen sowie die Gesundheitslehre übernehmen. Der Pflegeberuf ist in Island äußerst beliebt und angesehen, die Pflegekräfte agieren als eigene Profession und vertreten ihren Beruf mit Stolz. An der Universität von Island gebe es außerdem eine Zulassungsbeschränkung in Form eines Numerus clausus für den Bachelor-Studiengang, da zu viele Bewerbungen für zu wenige Studienplätze eingehen, erzählt Dr. Brynja Örlygsdóttir, Professorin für Primary Health Care.
Langfristig plant die Fakultät Angewandte Gesundheitswissenschaften der THD eine ERASMUS-Kooperation mit der University of Iceland, um Austauschprogramme für Studierende zu ermöglichen. Die Exkursion der drei THD-Mitarbeiterinnen legte nicht nur den Grundstein dafür, sondern brachte auch positive Erkenntnisse für die Lehre hervor. Auch eine gemeinsame Publikation seitens THD und der isländischen Universität wird angestrebt.
Bild (THD): Expertinnen des Fachbereichs Pflege der TH Deggendorf informierten sich unter anderem am Universitätsklinikum Reykjavík über das Pflegesystem in Island. Aus der Exkursion wurden viele positive Erkenntnisse für die Lehre gewonnen (v.l.n.r. THD-Mitarbeiterin Elisa Johannsdottir, Kardiologie-Stationsleitung Bylgja Kærnested und THD-Mitarbeiterin Dr. Christine Aumer).