28.10.2015 |
Bayerische Dekanekonferenz Pflege zweifelt massiv an Ministerin Humls Vorschlägen zur Einrichtung einer „Interessenvertretung der Pflegekräfte in Bayern"
Die Mitglieder der bayerischen Dekanekonferenz Pflege beobachten mit großer Sorge die Pläne der Bayerischen Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml, zur Einrichtung einer Interessenvertretung der Pflegekräfte in Bayern. Deshalb reichte die bayerische Dekanekonferenz Pflege erneut eine Stellungnahme beim Ministerium ein.
München, 28.10.15 – Als ausgewiesene Experten im Bereich der Pflege kritisieren die Dekane aller bayerischen Hochschulen mit Pflegestudiengängen nun bereits ein zweites Mal die durch das Ministerium geplante Form der Interessenvertretung für die Pflege in Bayern. Das Vorhaben der Ministerin sieht eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) vor, die als berufsständische
Vertretung für die Pflege eingerichtet werden soll. Die Einrichtung einer KdöR, die auf freiwilliger Mitgliedschaft basieren soll, bietet – so der Konsens der Dekanekonferenz – keine ausreichende Grundlage, um den Berufsstand der Pflege angemessen zu vertreten und um zielgerichtete Qualitätsverbesserungen in Angriff zu nehmen, von der die bayerischen Pflegeeinrichtungen auch tatsächlich profitieren.
Trotz ihrer vorangegangenen öffentlichen Stellungnahme im März 2015 (24.03.) ergaben sich bislang keine konzeptionellen Modifizierungen: „Es stimmt uns sehr nachdenklich, dass wir als Experten und berufene Pflegewissenschaftler an den bayerischen Hochschulen in unserer deutlichen Positionierungen überhört werden“, betont Prof. Dr. Michael Bossle von der Technischen Hochschule Deggendorf (THD). Die Dekanekonferenz weist darauf hin, dass der ministerielle Vorschlag in seiner jetzigen Form von vornherein Privilegien schafft: Für die geplante KdöR ist bisher allein der Trägerseite eine Mitgliedschaft im Bereit vorab fest zugesichert. „Die fehlende Klärung und Zuweisung von Funktionen dieses Beirats lässt weitere Befürchtungen zu“, so der Dekan Prof. Dr. Michael Bossle.
„Hochproblematisch ist außerdem die fehlende Gesamterfassung der Pflegefachkräfte in der KdöR“, erklärt die Dekanin Prof. Dr. Constanze Giese von der Katholischen Stiftungsfachhochschule München (KSFH). Eine legitimierte und ordentliche Interessensvertretung könne nur mit einer verpflichtenden Mitgliedschaft aller beruflich Pflegenden funktionieren, wie es in den Heilberufekammern selbstverständlich sei. „Diese KdöR hat in der geplanten Form keine Möglichkeit, die Berufsgruppe der Pflegenden zu erreichen, sei es mit Informationen über Fragen der Qualitätsentwicklung, der fachlichen, rechtlichen und ethischen Berufsnormen. Sie ist somit auch nicht legitimiert, für die Pflegenden zu sprechen, sondern nur für ihre Mitglieder. Zudem bleibt es weiterhin dem Ministerium vorbehalten, eine Berufsordnung oder zum Beispiel Regelungen zur Fort- und Weiterbildung zu erlassen.“ Überhaupt sei die geplante Interessenvertretung in allen berufsrechtlich relevanten Fragen – anders als bei einer Vertretung durch eine Kammer – davon abhängig, dass das Ministerium die Entscheidungen oder gewünschten Empfehlungen umsetzt. Trotz offensichtlicher Defizite setzt die Regierung auf eine freiwillige Mitgliedschaft: Staatsministerin Melanie Huml lehnt eine Gesamterfassung aller Pflegenden mit dem Verweis auf die derzeit fehlende politische Durchsetzbarkeit in Bayern ab. Prof. Dr. Christine Boldt von der Hochschule München (HM) kritisiert an der Stelle, „dass die Pläne von Ministerin Huml, einen bayerischen Sonderweg beschreiten, der der notwendigen Modernisierung und weiteren Professionalisierung des eigen- und mitverantwortlich agierenden Heilberufs der Pflege entgegen steht. Die bundesweiten Entwicklungen, insbesondere in den Bundesländern Rheinland Pfalz, Schleswig Holstein und Niedersachsen, weisen hier einen weitaus fortschrittlicheren Ansatz auf.“
Die notwendigen Steuermittel drohen, so die Stimme der Dekane, „wirkungslos in einer ohnmächtigen Organisation zu versickern“. Bereits in 2011 wurde durch den damaligen Staatsminister für Umwelt und Gesundheit, Dr. Markus Söder, ein Bündnis für eine Pflegekammer in Bayern ins Leben gerufen. Doch während z. B. in Rheinland-Pfalz bereits eine Pflegekammer errichtet werden konnte, läuft Bayern mittelfristig Gefahr, den Anschluss zu verlieren – ein weiterer Grund, weshalb die Einrichtung einer KdöR von den Hochschulprofessoren und Dekanen nicht befürwortet werden kann. „Wenn das Konstrukt der so genannten Interessenvertretung der Pflegekräfte in Bayern wie vom Ministerium geplant verabschiedet wird, werden sich die Interessen der beruflich Pflegenden weiterhin nicht legitimiert vertreten lassen. Die Pflegenden üben einen einzigartigen Beruf aus und sind auf bessere Arbeitskonditionen angewiesen, um ihre Verantwortung für die pflegebedürftige Bevölkerung entsprechend wahrnehmen zu können“, sagt Prof. Dr. Constanze Giese von der KSFH. „Aktuell liegt der Verdacht nahe, dass lediglich die Interessen der Träger- bzw. Arbeitgeberseite entscheidend sind. Damit wird Gesundheits- und Pflegepolitik zur Wirtschaftspolitik. Wohin uns das gebracht hat, sehen wir am maladen Zustand der Pflegesituation in vielen unserer Altenhilfeeinrichtungen und Krankenhäuser“, ergänzt Prof. Dr. Michael Bossle.
Die bayerische Dekanekonferenz Pflege ist ein Zusammenschluss der Vertreter der bayerischen Hochschulstandorte mit Pflegestudiengängen (Dekane und Dekanate, Studiengangsleitungen und Programmverantwortliche) an bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaft und Universitäten. Die ausführliche Stellungnahme der bayerischen Dekanekonferenz Pflege finden Sie im Anhang.
28.10.2015 | Pressemitteilung der Dekanekonferenz Pflege (M.Bossle/S.Thiede)