26.6.2011 |
Hier hinten, im Bayerischen Wald, können sie es mitunter selbst nicht glauben:
Ausgerechnet Teisnach, diese Gemeinde mit 3000 Einwohnern, noch nicht einmal mit Stadtrecht, ist seit kurzem Hochschulstandort. Und ein Vorzeigemodell in der deutschen Hochschullandschaft. Viele Autofahrer, die von Aschersdorf nach Teisnach kommen, bremsen weit hinunter, eher ungewöhnlich in der Gegend, und schauen neugierig nach links. Riesige Schilder künden vom „Technologie Campus“, dahinter lange Hallen und ein elegantes dunkelrotes Hauptgebäude mit Dachterrasse, die Parkplätze sind belegt.
Die Fachhochschule (FH) Deggendorf hat hier vor knapp drei Jahren eine Dependance aufgebaut, die sich damit beschäftigt, wie man bei der Herstellung von Präzisionsgläsern Verarbeitungsschritte sparen kann: Im Hauptgebäude stehen Geräte im Wert von vier Millionen Euro. 30 Mitarbeiter forschen an ihnen, dazu meist zehn Studenten, die in Teisnach Praktika oder Abschlussarbeiten machen. „Was wir hier aufgebaut haben, entspricht einem großen Universitätslabor“, sagt Peter Sperber, Vizepräsident der FH Deggendorf. Viele Jahre lang hat er mit seinem Präsidenten Reinhard Höpfl an der Idee gesponnen, starke Hochschulbereiche zu eigenen Standorten auszubauen, die Ergebnisse damit noch stärker in die Wirtschaft zu tragen und dabei zugleich das Hinterland zu stärken. Wie eben die Optik, ein Thema, bei dem Deggendorfer FH-Mitarbeiter etwa gemeinsam mit einem regionalen Unternehmen Techniken entwickelten, um Infos in Fahrzeugscheiben einzublenden. Als der Freistaat Bayern das Transrapid-Projekt beerdigte und Geld frei wurde, schickten die Deggendorfer ihr Dependancen-Konzept ein.
Fünf Millionen Euro für fünf Jahre bekamen sie für den Campus Teisnach, danach muss sich der Standort über Forschungsaufträge selbst finanzieren; nur über das Gehalt der betreuenden Professoren bleibt der Staat auch danach ein wenig im Spiel. Ein halbes Dutzend solcher Dependancen gibt es mittlerweile in Ostbayern, weitere sind in Planung – auch weil sich in Teisnach gezeigt hat, dass sich ein klar definiertes Nischenthema auch ohne räumliche Anbindung an die Mutterhochschule bearbeiten lässt. 50 Projektpartner aus ganz Deutschland hat Teisnach derzeit, die für über drei Millionen Euro Forschungsaufträge vergeben haben. Das Wissenschaftsministerium nennt die Dependancen-Idee mittlerweile „Erfolgsmodell“. Wobei neben dem Staatsgeld und der Spezialisierung ein weiterer Faktor entscheidend ist: Die Standortkommune muss engagiert mitziehen.
So wie die Bürgermeisterin Rita Röhrl (SPD) in Teisnach. Als Sperber mit dem Konzept vor der Tür stand, hat sie innerhalb von Tagen einen Gemeinderatsbeschluss herbeigeführt. Nicht bei allen Nachahmerprojekten, die derzeit entstehen sollen, funktioniert das so reibungslos. Die Gemeinde musste die Gebäude finanzieren, aber Röhrl bereut die Investitionen nicht: Der Gewerbepark neben dem Hauptgebäude ist gut gefüllt, Dutzende Arbeitsplätze sind entstanden. Unternehmer aus der ganzen Gegend haben sich hier eingemietet, um selbst zu forschen und um in Kontakt mit jungen Akademikern zu kommen, die sonst eher aus dem Wald flüchten. Um dem Campus herum stehen Kräne und Bagger, dahinter wird Wald gerodet, denn der Platz wird knapp. „Allen Leuten gefällt, dass hier etwas los ist, auch denen, die nichts mit Glastechnik zu tun haben“, sagt Röhrl.
Süddeutsche Zeitung