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Hightech im Bayerwald

22.4.2014 |

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Das Weltraum-Auge aus dem Arberland -  Hightech im Bayerwald

In Teisnach steht das derzeit weltweit größte, modernste und genaueste Fertigungszentrum für Teleskop-Spiegel. Die Spiegel der IFasO GmbH erlauben nicht nur einen besseren Blick ins All – sie lenken auch den Blick internationaler Weltraumforscher in den Landkreis Regen.

 

Die Spiegel, die am Teisnacher Technologiecampus gefertigt werden, haben mit dem Spiegel im Badezimmer bis auf den Namen wenig gemeinsam. In der kleinen Marktgemeinde im Landkreis Regen entwickelt die IFasO GmbH Verfahren zur Herstellung von Spiegeln, die in Teleskopen optische Informationen aus dem Weltraum einfangen und an eine Auswerte-Elektronik weiterleiten. Forschern rund um den Globus sollen die Spiegel aus dem Bayerwald bald einen noch genaueren Blick ins Weltall ermöglichen: Der erste Hightech-Spiegel aus dem Arberland für eine Sternwarte in Europa soll in den nächsten Tagen fertig werden.

Sporteln direkt vor der Haustür. Wandern im Sommern. Skifahren im Winter. Natur im Nationalpark. Dafür ist der Landkreis Regen bekannt. Wirtschaftsvertreter, die in die Region kommen, reagieren allerdings oft überrascht: Denn die Region rund um den Arber hat sich nicht nur touristisch kräftig entwickelt, sondern sie hat sich auch zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort in Ostbayern gemausert. "Es gibt hochqualifizierte Arbeitsplätze, Firmen, die zu den Weltmarktführern gehören, viel Kompetenz, gerade im Hochtechnologie-Bereich", betont Landrat Michael Adam.

Ohne Umlagerung geht die Produktion schnellerEin Paradebeispiel dafür sind Betriebe wie die IFasO GmbH mit innovativen Köpfen und hochpräzisen Geräten wie der UPG 2000 – sie gilt als größte und modernste Optikmaschine der Welt. Im Januar 2013 wurde sie vor internationalen Medienvertretern in Betrieb genommen; der bayerische Wissenschaftsminister drückte symbolisch den Startknopf der 85 Tonnen schweren Hightech-Anlage, die eigens für das Teisnacher Unternehmen entworfen und von den Firmen Opto Tech und Reitz hergestellt wurde. Das Besondere an ihr ist nicht nur die große Genauigkeit: "In unserem Fertigungszentrum wird der Spiegel vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt nicht umgelagert, das gibt es nirgendwo sonst bei der Herstellung von Teleskop-Spiegeln", betont Lutz Küpper, Geschäftsführer der IFasO GmbH. Gerade das ständige Neuausrichten und Umlagern der sensiblen Spiegel von der Schleif- in die Polier- und Messmaschine kostet andere Unternehmen Zeit und Geld. "Der Marktführer braucht für die Herstellung eines Spiegels ein Jahr", verdeutlicht Küpper.

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Der erste Kunde der IFasO GmbH ist ein namhafter deutscher Teleskophersteller. Er wird den Teisnacher Spiegel kaufen und im Teleskop einer Sternwarte in einem europäischen Nachbarland verbauen. Monatelang tüftelten die IFasO-Mitarbeiter an ihrem ersten Spiegel. "Jetzt sind wir so gut wie fertig", erklärt der Geschäftsführer. In den vergangenen Monaten verbrachte Lutz Küpper mehr Zeit auf dem Technologiecampus als daheim, steckte viel Kraft in den ersten Spiegel, der perfekt werden sollte. Der Spiegel beschäftigt ihn und seine hochqualifizierten Ingenieure schon seit Mitte 2010, als das IFasO-Forschungsprojekt der TH Deggendorf am Technologiecampus Teisnach anlief. Monatelang wurde geplant, dann die in Einzelteilen gelieferte Maschine montiert, in Betrieb genommen, justiert. Die Fertigung des ersten Spiegels begann im Oktober letzten Jahres. Ziel ist es mittelfristig, einen Großspiegel in zwei bis drei Monaten zu fertigen.

Die IFasO GmbH ist ein junges Unternehmen, die Spezialisten aber haben sich bei Fachleuten verschiedenster Nationen längst einen Namen gemacht. "Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt, wir haben mehrere Interessenten für Großspiegel", bestätigt Lutz Küpper. Er setzt auch auf das Miteinander mit dem Optiklabor, das ebenfalls am Technologiecampus angesiedelt ist. "Wer Großspiegel braucht, benötigt auch kleine, ebenfalls hochgenaue Spiegel. Die IFasO GmbH und das Optiklabor werden sich austauschen und eng zusammenarbeiten", kündigt Lutz Küpper an. Die GmbH bietet komplette Spiegelsysteme an, die aus drei Spiegeln bestehen. Einen oder zwei davon fertigt IFasO auf der UPG 2000. "Der dritte Spiegel und die ergänzende Optik wird an das Optiklabor der Hochschule am Campus als verlängerte Werkbank vergeben", erklärt Lutz Küpper.

Tag und Nacht standen er und seine fünf Mitarbeiter anfangs abwechselnd im Schichtdienst an der UPG 2000. Alleine ließen sie die Hightech-Anlage nicht laufen. "Das war uns zu heiß. Es gibt für den Spiegel nur einen Versuch, der muss klappen." Mittlerweile ist das Vertrauen in die Technik gefestigt, in der Nacht arbeitet die Maschine eigenständig – die Daten werden zur Sicherheit aber über eine Webcam nach Hause übertragen.

So genau wie das Gras in einer Sekunde wächstAuf Erfahrungswerte kann das Team nicht bauen: Eine Maschine wie die UPG 2000 gibt es kein zweites Mal. Sie ist neu und einmalig. Genau wie die Messtechnik. "Wir sind darauf angewiesen, dass unsere theoretische Vorarbeit in der Praxis funktioniert", schildert der Geschäftsführer die Herausforderung, die es zu meistern gilt. Fehler darf es nicht geben, Unstimmigkeiten ebenso wenig. Schon der kleinste Kratzer im Spiegel oder eine minimale Erschütterung während des Schleifens oder Polierens hätte schlimme Folgen. "Wir wollen eine Genauigkeit von 30 Nanometern erreichen, das entspricht dem Längenmaß, um das ein Grashalm in der Sekunde wächst", verdeutlicht Lutz Küpper. Der Zerodur-Rohling, den die Teisnacher Forscher von ihrem Kunden bekamen, hat einen Materialwert von 50000 Euro. "Der Wert des fertigen Spiegels liegt im sechsstelligen Bereich", verdeutlicht Küpper.

Er und seine Mitarbeiter hantieren mit dem Spiegel wie andere mit dem sprichwörtlichen rohen Ei. Das "Ei" der IFasO GmbH hat allerdings keine schützende Schale, dafür einen Durchmesser von 1,30 Meter und wiegt gut 160 Kilo. "Es dauert, bis man das Teil nur richtig gelagert hat", sagt Lutz Küpper. Das Team entwarf einen Läufer als "Bett": Das Material des Spiegel-Rohteils vergleicht Küpper gerne mit einem sehr hochwertigen Ceran-Kochfeld. Es lagert verspannungsfrei in seinem Läufer, der Luftkanäle im Inneren hat, auf einer Granitplatte. "Über die Luftkanäle können wir den Rohling in seinem Bett anheben, also quasi zum Schweben bringen, um ihn zu bearbeiten", erklärt Lutz Küpper. Der Granitklotz darf kaum auf Temperaturschwankungen reagieren. Die bis zu 20 Tonnen schweren Teile der Maschine bewegen sich, hydrostatisch gelagert, reibungslos auf einem Ölfilm. Der Rohling gleitet so zwischen fünf Mess- und Bearbeitungsstationen hin und her. Messen. Schleifen. Polieren. Messen. Diese Arbeiten wiederholt die IFasO-Mannschaft immer und immer wieder. Aus der milchig-trüb wirkenden Scheibe soll ein glänzender, hochgenauer, parabolischer Spiegel werden.

Bei der Entwicklung des Spiegels muss jeder Handgriff sitzen, jede noch so kleine Bewegung der Optikmaschine richtig vorgegeben werden. Als das Optikzentrum am Technologiecampus entstand, baute die Gemeinde Teisnach einen eigenen "Küpper-Raum" – mit extremer Raumhöhe sowie einem meterdicken Boden, der keine Schwingungen überträgt. Der acht Meter hohe Messturm mit dem Interferometer für die hochgenauen Messungen musste sogar noch über die Labordecke hinaus erhöht werden. Drei Stockwerke müssen die Mitarbeiter hinaufsteigen, wenn sie an die Spitze des Messturms wollen. Bei der Arbeit achten die Projektingenieure streng darauf, dass die Bedingungen dieselben sind: "Wir schalten die Maschine in den entscheidenden Phasen nicht aus, schauen, dass wir bei jedem Durchgang exakt die selbe Raumtemperatur haben", sagt Lutz Küpper. Die Anspannung im Team ist riesig. "Bei jeder Messung stehen alle wie gebannt vor dem Rechner und warten auf die Ergebnisse."

Es klappt mit der Technik, die Maschine macht ihre Sache gut – auch wenn die Forscher beim Prototyp ab und zu mit Rückschlägen und Zeitverzögerungen klar kommen mussten. Die Teisnacher Bürgermeisterin Rita Röhrl und der Gemeinderat unterstützten das IFasO-Projekt von Anfang an. Sie glaubten schon an den Erfolg der Optikfachleute, als es deren Idee nur auf dem Papier gab und der Technologiecampus noch nicht einmal gebaut war. Lutz Küpper und seine Kollegen wollen der Gemeinde beweisen, dass das Vertrauen gerechtfertigt war. Sie tauften den ersten Spiegel "Rita". Die Optikfachleute der IFasO GmbH haben große Pläne: Mit der Hochschule Deggendorf und dem Optiklabor wollen sie Teisnach zum führenden Standort für die Herstellung von Teleskopspiegeln machen und beweisen, dass die Kombination aus Technologiecampus und Industrie ein erfolgreiches Modell ist. "Selbst Länder wie China oder die USA brauchen wir nicht zu scheuen", erklären sie selbstbewusst.

Nicht nur die Macher selbst sind vom Standort und der Kompetenz überzeugt. Bei der Inbetriebnahme der UPG 2000 gab es von sämtlichen Rednern Vorschusslorbeeren. Viele sahen Teisnach bereits in der "Weltliga". Aus der Luft gegriffen ist das Ziel von IFasO offenbar nicht. Weltraum-Wissenschaftler aus aller Welt blicken schon jetzt erwartungsvoll ins Arberland.

IFasO – vom Forschungs- zum Erfolgsprojekt

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Der Name: IFasO steht für "Integrierte Fertigung asphärischer Optik" und war zunächst Titel eines Forschungsprojekts, kein Firmenname. Angedacht war das Projekt an der Hochschule Deggendorf 2007/08, offiziell lief "IFasO" Mitte 2010 an. Weil die Hochschule nicht als Industriepartner auf dem Markt auftreten konnte und wollte, wurde im Oktober 2012 die IFasO GmbH als Firma gegründet.

Die Idee: IFasO entstand nach einer Machbarkeitsstudie, die die Teleskopindustrie an die Hochschule Deggendorf vergeben hatte. In der Studie sollte untersucht werden, ob es für ein mittelständisches Unternehmen möglich und rentabel ist, asphärische Großspiegel für Teleskope zu fertigen. Hintergrund waren die Probleme der Teleskopbauer, gute Spiegel in absehbarer Zeit zu bekommen. Oft müssen sie bis zu drei Jahre auf Spiegel warten und hadern mit den Kosten oder der Qualität.

Die Anschieber: Die "Macher" von IFasO sammelten über Jahrzehnte Erfahrung in der Optikbranche. Lutz Küpper, Geschäftsführer der GmbH und Leiter des IFasO-Projekts, hatte seit 1979 die Technologie-Entwicklung des Optikwerks Rodenstock in Regen geleitet und sich gemeinsam mit seinem engsten Mitarbeiter Dieter Rohr vor allem um die Entwicklung der modernen Asphärentechnologie gekümmert. Diese über 30-jährige Erfahrung bringt Dieter Rohr von Beginn an in das IFasO-Projekt ein. Zu Küppers Kollegen bei Rodenstock zählte Rolf Rascher, mit dem er später im Forschungsgebiet "Optical Engineering" an der Technischen Hochschule in Deggendorf zusammenarbeitete. Prof. Rascher leitet heute den Technologiecampus der TH Deggendorf, der im Oktober 2009 in Teisnach eröffnet wurde. Prof. Peter Sperber steht als Präsident mit an der Spitze der TH Deggendorf.

Das Ziel: Jahrzehntelange Erfahrung in der Optikindustrie und neue Forschungsergebnisse der Hochschule verbinden, das war der Grundgedanke von IFasO. Miteinander wollten Rascher, Sperber und Küpper die Entwicklung von Teleskop-Spiegeln voranbringen, sich auf dem Weltmarkt etablieren und zugleich einen Fertigungsbetrieb aufbauen, in dem Spiegel hergestellt und an die Teleskopbauer geliefert werden können.

Der Standort: Bewusst entschied man sich für den Technologiecampus der TH Deggendorf, der im Oktober 2009 eröffnet wurde. Ideal war hier die Kombination von Grundlagenforschung, wirtschaftlich orientierter Technologieentwicklung und Fertigung. Außerdem sahen die Verantwortlichen den Landkreis Regen als einen der wichtigsten Optik-Standorte in Deutschland neben Jena und Aalen, mit Tradition und Erfahrung in der Optik-Bearbeitung. Der Technologiecampus soll ein weltweit bedeutendes Fertigungs- und Kompetenzzentrum werden, so das langfristige Ziel.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 22. April 2014
Autor: Susanne Ebner