4.5.2015 |
Das Technologie Anwender Zentrum in Spiegelau feierte seinen fünften Geburtstag
Im Frühjahr vor fünf Jahren war das Technologie Anwender Zentrum (TAZ) eröffnet worden, um durch anwendungsnahe Forschung eine Innovationsplattform für die Glasindustrie bereitzustellen. Zum kleinen Jubiläum, das mit ausgewählten Gästen am Freitag gefeiert wurde, passte es gut, dass einen Tag zuvor Staatsminister Helmut Brunner und Wissenschaftsstaatssekretär Bernd Sibler verkünden konnten, dass nach positiver Evaluierung die jährliche Grundfinanzierung des TAZ mit 300 000 Euro durch den Freistaat weiterhin gesichert sei.
Minister Brunner war von politischer Seite dann auch der Hauptgast beim fünften Geburtstag – neben Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, stv. Landrätin Renate Cerny, Bürgermeister und TAZ-Fördervereinsvorsitzendem Karlheinz Roth und Vertretern des Spiegelauer Gemeinderats.
„Wissenschaftliche Erkenntnisse in anwendbare Technologien umzusetzen, ist eine der Kernaufgaben unserer Zeit. Das TAZ hat mit seinem Schwerpunkt Heißglas-Technologie nach einem schwierigen Start eine tolle Entwicklung genommen“, gratulierte der Staatsminister.
Maßgeblich für den Erfolg sei Prof. Monika Willert-Porada von der Uni Bayreuth gewesen, die bis zu ihrem frühen Tod im Dezember 2016 die wissenschaftliche Leitung für Schmelztechnik und Heißformgebung und die Leitung des Lehrstuhls für Werkstoffverarbeitung inne hatte. „Sie ging den mutigen Schritt und ermöglichte die Kooperation ihrer Uni mit der Technischen Hochschule Deggendorf“, würdigte Brunner ihre Verdienste.
Mit dem Start des mit 2,66 Mio. Euro geförderten Innovationsprojekt „Glas-Technologie-Allianz Oberfranken-Ostbayern“ habe Willert-Porada im März 2016 wenigstens einen Teil der Früchte ihrer Arbeit ernten können. Damit sei sichergestellt, dass bis 2020 die Forschungsergebnisse der Uni Bayreuth im TAZ unter industrienahen Bedingungen umgesetzt und der Technologietransfer in kleine und mittelständische Unternehmen erfolgen könne.
Brunner dankte allen, die die erfolgreichen „Kinderjahre“ des TAZ ermöglicht haben und sagte weiterhin seine Unterstützung zu. Dr. Markus Zanner, der Kanzler der Uni Bayreuth, bestätigte die Linie seiner Hochschule, die auch nach dem Tod Willert-Poradas die Zusammenarbeit mit dem TAZ Spiegelau weiterführen werde.
Das freute Wissenschaftlichen TAZ-Leiter Prof. Raimund Förg, der als „Hausherr“ durchs Programm führte: „Wir könnten uns keinen besseren Kooperationspartner vorstellen. Wir ziehen immer am gleichen Strang.“
Prof. Dr. Peter Sperber, Präsident der Technischen Hochschule Deggendorf, blendete auf die Historie des Zentrums zurück, die mit der Glaskrise begonnen habe. Die Idee für das TAZ Spiegelau sei aus der regionalen Politik gekommen. Die Hochschule Deggendorf habe das Potenzial gesehen, Glas für technische Anwendungen zu erforschen und das Interesse der Firma Füller in Spiegelau und der Uni Bayreuth geweckt. „Ich glaube, dass Spiegelau Zukunft hat. Das hat man an der externen Evaluation gesehen, die gut funktioniert hat“, sagte Sperber.
Auf die gern geäußerte Kritik, warum das alles im Vergleich zum Technologie-Campus Freyung nicht schneller gegangen sei, konterte der Präsident mit der unterschiedlichen Ausstattungen. „Für Informatik braucht man in Freyung nur PCs, aber hier mussten wir erst die Labore ausstatten. Da kostet ein großes Gerät über 100 000 Euro und es dauert neun Monate, es zu bestellen. Mit Drittmitteleinnahmen kann es erst losgehen, wenn die Ausstattung komplett ist. Das ist seit 2016 der Fall. Da beliefen sich die Einnahmen bereits auf 800 000 Euro. Das Ziel ist eine Million Euro pro Jahr. Das TAZ läuft genau so, wie ein solcher Campus laufen kann. Am Anfang war’s holprig, jetzt läuft’s gut.“
Für das Durchstehen der Durststrecke dankte er den TAZ-Mitarbeitern, operativem Leiter Benedikt Scharfe, Prof. Förg und Minister Brunner.
Über „Spiegelau als digitales Modelldorf“ sprach Dipl.-Ing. Beatrix Drago von der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung, die in der e-Dorf-Jury dabei war, die Spiegelau und Frauenau als Modellkommunen für das Digitale Dorf ausgewählt hatte.
„Vom Tiegel zum Chip“ haben die wissenschaftlichen TAZ-Leiter Förg und Dr. Thorsten Gerdes ihren gemeinsamen Vortrag über Forschung und Entwicklung am TAZ überschrieben. Was allen Projekten gemein ist: sie sind ganz weit weg von der Kelchglasproduktion, welche Spiegelau groß gemacht hatte. So die Herstellung von Micro-Hohlglaskugeln für Baustoffe, z. B. Dämmwolle, die besser seien als polymere Stoffe und leichter zu recyceln. Oder neue Anwendungsfelder für Mikroglasplättchen als Trennschicht für Li-Ionen-Batterien, die jetzt aus Polymeren gefertigt sind. Und das TAZ geht noch den Schritt weiter, das Glas als Chip in die digitale Welt zu bringen. „Wir können es mikrometer genau prägen. Da haben wir Revolutionäres vor“, kündigte Förg an.
Wie die Industrie vom Technologietransfer profitiert, stellte Dipl-Ing. Harald Zimmermann von der Verallia Deutschland AG in Bad Wurzach vor. Seine Firma stellt jährlich 16 Milliarden Flaschen und Gläser her und ist damit in der Behälterglasindustrie weltweit die Nummer 3. 400 Tonnen Glas pro Tag werden verarbeitet, 200 Gläser pro Minute hergestellt. „Wie soll man bei diesem Tempo Experimente machen?“ Deshalb sei es für ihn fantastisch, im TAZ Trainingssituationen für Prozessoptimierungen im Kleinen schaffen zu können.
Von Ursula Langesee
Quelle: PNP/Grafenauer Anzeiger Nr. 156 vom 10.07.2017