15.9.2014 |
Zu Technik und Wirtschaft kommt jetzt Gesundheit: Hochschul-Präsident Prof. Peter Sperber über die Pläne in Metten, Pfarrkirchen und im Bayerwald
"In der Hochschulpolitik kann man keine fünf Jahre vorausschauen": Prof. Dr. Peter Sperber, Präsident der Technischen Hochschule Deggendorf, setzt bei der Entwicklung seiner Hochschule darauf, Chancen zu ergreifen, die sich bieten. Eine dieser Chancen war die Erweiterung um den Schwerpunkt Gesundheit, der am neuen Standort Metten und später auch in Pfarrkirchen Studenten anziehen soll.
Prof. Sperber, in zwei Wochen wird der Erweiterungsbau der Technischen Hochschule eingeweiht – aber eigentlich ist er schon wieder zu klein. Kann man das so sagen?
Sperber: Der Erweiterungsbau wurde etwa 2009 geplant für unsere damalige Studentenzahl 3000. Jetzt haben wir 5200 Studenten und der Erweiterungsbau ist tatsächlich schon wieder zu klein. Von den Räumlichkeiten, die wir derzeit angemietet haben, werden wir nicht viel aufgeben.
Ihre Planung geht schon über 5000 Studenten hinaus.
Sperber: Wir haben hier in Deggendorf vier Ingenieur-Fakultäten und eine Wirtschaftsfakultät und hatten lange ein steiles Wachstum. Aber man bemerkt, dass langsam eine Sättigung eintritt. Zwischen 5000 und 6000 Studenten wollen wir uns hier stabilisieren. Wir möchten uns aber weiterentwickeln, und das geht nur, wenn wir neben Technik und Wirtschaft einen dritten Schwerpunkt aufzubauen versuchen. Wir haben überlegt, was passt zur Region, was passt zur Hochschule? Und dann kam der Bereich Gesundheitswesen als nächster strategischer Schwerpunkt heraus.
Wie passt Gesundheitswesen zur Technischen Hochschule?
Sperber: Fragen Sie das mal die TU München – natürlich passt das. Es geht ja bei uns nicht darum, Ärzte auszubilden, sondern um Physiotherapie, Trainingswissenschaften oder Gesundheitsinformatik. Wir verbinden also durchaus diese Themen des zweiten Gesundheitsmarkts mit unserer technischen Kompetenz.
Mit den Gesundheitsstudiengängen wollen Sie ins Kloster im benachbarten Metten ziehen. Wann geht’s los?
Sperber: Metten ist für uns der Standort für die klassischen Studiengänge im Bereich Gesundheitswesen. Das werden also deutschsprachige Bachelor-Studiengänge, die nur nach Metten ausgelagert werden, weil wir in Deggendorf keinen Platz mehr haben. Wir haben mit dem Kloster Metten gesprochen, es gibt erste Planungen, wie so etwas aussehen kann. Und es gibt von unserer Seite auch schon die Planungen für die Studien- und Prüfungsordnungen. Das erste Studium – Angewandte Trainingswissenschaften – beginnt jetzt zum Wintersemester in Deggendorf. Der Studiengang Angewandte Gesundheitswissenschaften ist im Ministerium eingereicht, Gesundheitsinformatik wird in Kürze folgen. Wir gehen davon aus, dass wir am Ende in Metten fünf oder sechs Studiengänge mit knapp 1000 Studenten haben werden. Das heißt, wir liegen bei 4000 bis 6000 Quadratmeter Flächenbedarf. Im Kloster gibt es alte Stallungen, die vor Jahrzehnten abgebrannt sind und wo dringend etwas gemacht werden muss. Geplant ist, dass das Kloster hier für uns umbaut und der Freistaat das dann anmietet.
Wann können Sie dort einziehen?
Sperber: Ich hoffe, dass im nächsten Jahr Baubeginn ist und wir den ersten Bauabschnitt vielleicht schon 2016 beziehen können. Bis 2018 könnte dann alles fertig sein. Wir werden dort ein eigenes kleines Rechenzentrum haben, eine eigene kleine Bibliothek für Gesundheitswesen. Wobei von uns – und auch vom Ministerium – Metten nicht als eigener Standort gesehen wird, sondern als Standort in Deggendorf.
"Titel Europahochschule wirklich verdient" Anders ist es mit Pfarrkirchen. Dort soll ebenfalls Gesundheit stattfinden – wo ist der Unterschied?
Sperber: In Pfarrkirchen wurde zunächst nicht an den Schwerpunkt gedacht, sondern die Frage gestellt: Wie können wir neue Studienformen realisieren? Hier geht es um eine Hochschule mit durchgängig fremdsprachigen Studienangeboten und mit Studien- und Prüfungsordnungen, die deutlich freier sind als die klassischen Bachelor-Studienordnungen. Erst dann kam die Frage nach der fachlichen Ausrichtung. Dazu schauen wir uns an: Welche Industrien oder Arbeitgeber gibt es in der Nähe? Da ist zum einen das Bäderdreieck mit einem großen Bedarf an Gesundheitstourismus- und Gesundheitsmanagement- Studiengängen. Und zum anderen ist da der Bereich technische Chemie, Verfahrenstechnik, Prozesstechnik. Da gibt es das Chemiedreieck, da gibt es Firmen wie Schlagmann Poroton oder die Deggendorfer Werft, die daran Interesse hätten. Daher haben wir gesagt, wir wollen Pfarrkirchen auf diese beiden Säulen stellen.
Den Gesundheitsbereich für Pfarrkirchen hat das Kabinett diese Woche grundsätzlich genehmigt.
Sperber: Wir müssen nun zeigen, dass unser Konzept trägt, dass wir damit attraktiv sind. Und dann müssen wir versuchen, das weiterzuentwickeln.
Sie wollen vor allem Studenten aus dem Ausland nach Pfarrkirchen holen. Wie wollen Sie die erreichen?
Sperber: Das soll durch ein Netzwerk von Partnerhochschulen funktionieren, die mitmachen wollen. Wir haben Partner in der Westböhmischen Universität in Pilsen, in der Technischen Universität in Gleiwitz und in den oberösterreichischen Hochschulen. Und die Idee für Pfarrkirchen wäre sogar, eine gemeinsame Trägerschaft zu schaffen. Das wäre dann nicht nur eine Außenstelle der Hochschule Deggendorf, sondern würde den Titel Europahochschule wirklich verdienen. Wenn dann auf den Zeugnissen möglicherweise die Stempel mehrerer europäischer Hochschulen sind, dann kann das sehr attraktiv werden.
Die Pläne für die Verfahrenstechnik in Pfarrkirchen haben in Oberbayern einigen Unmut ausgelöst. Gibt es nun einen Wettstreit zwischen Deggendorf und der Hochschule Rosenheim?
Sperber: Ganz ehrlich, ich verstehe den Unmut noch immer nicht so ganz. Wenn man sich das Konzept der Hochschule Rosenheim anschaut und unser Konzept, dann ergänzen sich diese eigentlich ganz gut. Die Hochschule Rosenheim will im Raum Altötting etwas machen im Bereich Weiterbildung, berufsbegleitendes Studium. Wir dagegen sehen in Pfarrkirchen ja ein grundständiges Bachelor-Studium vor. Ich glaube, da ging es vor allem um Befindlichkeiten. Wenn wir uns zusammensetzen und schauen, was jeder will, sollten wir recht schnell einen Weg finden, mit dem wir beide ganz gut leben können.
Wie schnell könnten denn die technischen Studiengänge in Pfarrkirchen kommen?
Sperber: Die Gesundheitsstudiengänge kann ich in Räumlichkeiten machen, die in Pfarrkirchen vorhanden sind. Wenn wir gezeigt haben, dass unser Konzept trägt, und wenn die Entscheidung für den Bereich Technik in Pfarrkirchen fallen sollte, brauche ich ein neues Gebäude mit Laboren. Und dieses Gebäude gibt es nicht, das muss man klipp und klar sagen. Es müsste erst gebaut werden. Deshalb wird es einen Verzug von drei bis vier Jahren geben, bis man das wirklich starten kann.
Und warum kann man dieses Gebäude nicht einfach in Altötting bauen?
Sperber: Sie brauchen neben dem Vorlesungsgebäude ein Rechenzentrum, eine Bibliothek, eine Mensa – also eine Menge Infrastruktur außen rum. Um ein studentisches Leben halbwegs attraktiv zu machen, brauchen sie auch eine gewisse kritische Größe, die Hochschule sollte möglichst mehr als nur einen Fachbereich haben, damit auch ein Austausch stattfindet. Die Lösung einer kleinen Gesundheitshochschule in Pfarrkirchen und einer kleinen Hochschule Technik in Altötting würde in meinen Augen nicht funktionieren. Das hätte nichts mehr mit Hochschule zu tun.
In Pfarrkirchen steht der Aufbau noch bevor, die ersten beiden Technologietransferzentren im Bayerischen Wald haben ihre Aufbauphase hinter sich. Läuft das nun so, wie man es sich vorgestellt hat?
Sperber: Ja. Beide haben die Zielmarken erreicht und sind erfolgreich. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir Einnahmen in einer gewissen Höhe brauchen, um so ein Technologietransferzentrum weiterlaufen lassen zu können. Man kann sich leicht ausrechnen: Wir haben für fünf Jahre eine Anschubfinanzierung von knapp fünf Millionen Euro bekommen, also brauche ich ungefähr eine Million pro Jahr. Das übertreffen beide. Allerdings hatten wir das Problem, dass wir trotz der hohen Einnahmen die Mieten nicht bezahlen konnten. Die Technologietransferzentren finanzieren sich aus öffentlich geförderten Verbundforschungsprojekten mit der Industrie. Und da ist es den Hochschulen verboten, aus den Fördergeldern Mieten zu bezahlen. Der Freistaat Bayern hat nun glücklicherweise entschieden, bei erfolgreichen Technologietransferzentren die Miete dauerhaft zu tragen, wie es sich für eine Hochschuleinrichtung ja auch gehört.
Und wie ist der Zwischenstand in Grafenau und Spiegelau?
Sperber: Grafenau läuft unvorstellbar gut, besser als ich es jemals erwartet hätte. Bei Spiegelau geht die Entwicklung etwas langsamer. Das liegt daran, dass die Ausstattung des Gebäudes in dem Bereich der Glasschmelztechnologie wirklich schwierig ist und lange dauert. Spiegelau wird vielleicht ein Jahr nach der Zeit die Erfolgsschwelle erreichen. Aber das ist nicht so schlimm. Wir haben ja eine gewisse Summe als Anschubfinanzierung erhalten. Wenn ich am Anfang die Geräte noch nicht habe, dann muss ich auch nicht so viel fürs Personal ausgeben. Deshalb haben wir da noch genügend Luft. Spiegelau hat einen großen Vorteil, die Kooperation mit der Uni Bayreuth. Da haben wir einen ganz starken Partner, der viel Wissenschaftlichkeit reinbringt.
"Passauer können sich nicht beschweren" Gibt es Überlegungen für weitere Technologiezentren?
Sperber: Es ist ja bekannt, dass es Überlegungen in Viechtach gibt, die aus zwei Richtungen kommen. Einmal hat die Stadt Viechtach großes Interesse, etwas zu machen. Und zum anderen sehen wir noch eine gewisse Lücke. Wir haben Mechatronik, wir haben Optik, Werkstoffe, Informatik und den Bereich Logistik. Was uns da noch fehlen würde, um wirklich sehr komplexe Projekte zu bearbeiten, ist der Bereich der industriellen Messtechnik und Sensorik. Deshalb haben wir gesagt, wenn wir noch mal die Chance auf einen Technologiecampus im Bayerischen Wald bekommen, dann würden wir diese Lücke schließen. Das würde uns dann große Projekte über mehrere Campi ermöglichen. Wir arbeiten dran, ob wir eine Chance haben, weiß ich nicht.
Recht still ist es um ihr gemeinsames Projekt "Technik Plus" mit der Uni Passau geworden. Wie läuft das?
Sperber: Technik Plus hat dazu geführt, dass die beiden Hochschulen deutlich intensiver miteinander reden. Es gibt durchaus ein paar kleinere gemeinsame Projekte und wir sind da auf einem sehr guten Weg. Aber das, was am Anfang geplant war, eine enge Kooperation, hat bisher noch nicht so ganz funktioniert. Warum das so ist, kann man leicht erklären: Passau hat für Technik Plus Personal bekommen, das genutzt wurde, um den Bereich Technik auch in den nicht-technischen Fakultäten zu verankern. Deggendorf hat für Technik Plus das fünfte Gebäude im Erweiterungsbau bekommen, das noch nicht einmal begonnen wurde. Da kann man jetzt noch keine extrem enge Kooperation erwarten.
Haben Sie auch den Eindruck, dass die Uni Passau in Sachen Technik und Digitalisierung gegenüber den Münchner Unis benachteiligt wird?
Sperber: Das würde ich nicht sagen. Die Uni Passau hat eine andere Ausrichtung. Passau ist eine starke geisteswissenschaftliche Universität mit einem relativ kleinen Informatik-Bereich. Eigentlich können sich die Passauer nicht beschweren. Bei Technik Plus hat die Uni Passau viele Stellen bekommen. Und auch in der ersten Stufe des Ausbauprogramms hat sie mehr Stellen bekommen, als nach dem Rechenmodell vorgesehen war. Zur Digitalisierung: Wenn der Freistaat Bayern sagt, er möchte einen Leuchtturm setzen, um Gelder aus Berlin zu bekommen, dann wird man nicht an München vorbeikommen. Es soll ein deutsches Digitalisierungsinstitut kommen. Da kann man nur die TU München ins Rennen schicken, sonst haben wir keine Chancen gegen die anderen großen Universitäten in Deutschland.
Wo steht die Hochschule Deggendorf in zehn Jahren?
Sperber: Ich habe keine Ahnung. Vor zehn Jahren hätte jeder gesagt: 5000 Studenten? Technologietransferzentren im Bayerischen Wald, Technische Hochschule? Ihr seid wahnsinnig! In der Hochschulpolitik kann man eigentlich keine fünf Jahre mehr vorausschauen. Ich weigere mich inzwischen, einen Hochschulentwicklungsplan zu machen. Der Entwicklungsplan ist: Wenn sich Chancen ergeben, dann ergreifen wir die Chancen. So sind wir bisher ganz gut gefahren.
Ist es dabei Ihr Anspruch, Vorreiter und Vorbild für andere zu sein?
Sperber: Ich glaube schon, dass Deggendorf eine Hochschule ist, die neue Bewegungen anstößt. Wir haben mit den Technologietransferzentren begonnen, mittlerweile gibt es in Bayern 16, wovon leider nur acht zu uns gehören. Und der Rest von Deutschland kommt mittlerweile auch und schaut sich an, wie das funktioniert. Beim Thema Gesundheit sind wir nun auch Vorreiter. Und eine Hochschule mit diesen neuen Studienkonzepten und der sehr offenen Studien- und Prüfungsordnung gibt es bisher auch noch nirgends. Ich muss als Hochschule ein paar Projekte und Ideen haben, die die anderen nachahmen. Ich muss nicht überall vorne dran sein. Aber wenn ich nur nachahme, bekomme ich kein Profil.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 15.09.2014
Autor: Das Interview führten Ernst Fuchs und Stefan Gabriel
Foto: Schreiber