28.11.2014 |
Das Deutschlandstipendium: eine Erfolgsgeschichte im Großen wie im Kleinen
Das Deutschlandstipendium scheint ein Erfolgsmodell. Seit Einführung 2011 hat sich die Zahl der bundesweit vergebenen Stipendien mit knapp 20.000 (Stand 2013) fast vervierfacht. Das Besondere am Deutschlandstipendium: Es wird von Bund und privaten Förderern ko-finanziert und über die jeweilige Hochschule abgewickelt. So sollen alle aktiv Beteiligten - Förderer, Hochschule und Stipendiaten - noch besser vernetzt werden. Der Plan scheint zu funktionieren, wie das Beispiel der Deggendorfer Studentin Christina Reindl zeigt.
Christina Reindl war es an diesem Tag Ende März 2014 schon etwas mulmig zumute. Als sie in der Stadthalle in Deggendorf eintraf, war der Trubel groß. Das war zu erwarten, immerhin fand die Jobbörse „firstcontact“ mit über 150 Ausstellern statt. Für Christina Reindl, Studentin im Fach Wirtschaftsingenieurwesen, ging es heute aber nicht um ihre Jobaussichten. Sie kam als eine von 50 Deutschlandstipendiaten der Technischen Hochschule Deggendorf (THD). Heute würde sie ihr Stipendium überreicht bekommen und vor allem: ihren Förderer kennenlernen. Nervosität und schwitzige Hände gehören da schon dazu. Trotz allem verspürte sie vor allem eines: Stolz. „Man muss sich das mal vorstellen, es sind über 5000 Studierende an der Hochschule, aber es gibt nur 50 Deutschlandstipendien. Da war ich schon sehr stolz, dass ich eines davon bekommen habe“, erinnert sich die 21jährige an den großen Augenblick, als sie zusammen mit all den Stipendiaten und Förderern auf der großen Bühne der Stadthalle stand und sich präsentierte.
Seit 2011 gibt es das Deutschlandstipendium. Es ist eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und hat sich in nur kurzer Zeit zu einem bedeutenden Instrument in der deutschen Stipendienlandschaft entwickelt. Die Stipendiaten erhalten für eine Laufzeit von zwölf Monaten 300 Euro monatlich. Das Besondere an dem Stipendium: Die Hälfte der Geldmittel wird von privaten Förderern erbracht, die andere Hälfte bezuschusst der Bund. Abgewickelt wird das Stipendium über die jeweilige Hochschule. „Für uns ist das Deutschlandstipendium natürlich eine gute Möglichkeit, mit Firmen und allen anderen Förderern der Hochschule weiter in engem Kontakt zu bleiben“, erklärt Martina Heim, Leiterin des Career Service der THD und Ansprechpartnerin in Sachen Deutschlandstipendium. „Und unser Netzwerk ist sehr gut. So können wir verhältnismäßig viele Stipendien vergeben. Das lockt wiederum die Studierenden zu uns nach Deggendorf“, so Heim weiter. Bewerben kann sich jeder Studierende einer Hochschule, die das Deutschlandstipendium anbietet. Auch ausländische Studierende dürfen sich bewerben. Das Deutschlandstipendium ist unabhängig vom Einkommen der Studierenden und deren Eltern und kann mit dem Bafög gekoppelt werden. Zu den Förderkriterien zählen neben sehr guten Leistungen an der Hochschule/Universität gesellschaftliches Engagement oder die Überwindung besonderer biografischer Hürden.
Christina Reindl hätte nie geglaubt, dass sie das Stipendium tatsächlich bekommt. Dabei passt sie perfekt in das Anforderungsprofil. Ihre Abiturnoten an der Berufsoberschule waren Topp. Sie engagierte sich, obwohl gerade erst im ersten Semester an der Hochschule, im Verein Technik für Kinder (TfK). Jede Woche fuhr sie mit einer Kommilitonin nach Kirchberg im Wald um dort mit den Grundschülern zu löten, zu schrauben und zu basteln. „Das hat mir so viel Spaß gemacht“, sagt sie, und man glaubt es ihr angesichts der glänzenden Augen sofort. Zuhause in Puchhausen ist Christina aktives Mitglied der Landjugend. Zudem hat sie nicht den direkten Weg zum Studium genommen. Sie hat ihr Abitur nach Realschulabschluss und Ausbildung zur technischen Zeichnerin an der Berufsoberschule nachgeholt, eine biographische Hürde überwunden. „Und die Bewerbung für das Deutschlandstipendium ist bei weitem nicht so aufwändig, wie bei vielen anderen Stipendien von Stiftungen. Klar, das Motivationsschreiben ist schon eine kleine Herausforderung, aber das schafft man schon“, so die Studentin.
Nun stand sie also da. Es hatte geklappt, sie war tatsächlich eine der 50 Stipendiatinnen und Stipendiaten der THD. Die Firma Smurfit Kappa fördert ihr Stipendium, ihre Ansprechpartner Andrea Kappes und Martin Scheinert hatte sie schon kennengelernt. „Ich war so erleichtert, die waren total nett“. Christina Reindl konnte aufatmen. Sie war auch nicht alleine, die Firma fördert insgesamt drei Stipendien. Beim Stehempfang gab es die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen. „Wir haben uns auf Anhieb total super verstanden. Herr Scheinert und Frau Kappes haben uns alles erklärt und uns eingeladen, die Firma in Plattling zu besichtigen“, erinnert sich die 21-Jährige.
Der Einladung folgten die Stipendiaten gerne. Nur wenige Wochen nach Verleihung des Stipendiums besichtigten sie das Firmenwerk in Plattling. „Wann bekommt man so etwas denn schon einmal, eine exklusive Führung durch wirklich alle Teile eines Werkes, das war wirklich ganz besonders“, weiß die Studentin zu berichten. Darüber hinaus bietet die Firma ihren Stipendiaten an, Praktika und Abschlussarbeiten bei ihnen zu absolvieren. „Für uns ist das Deutschlandstipendium auch eine Chance“, erklärt Wigbert Weißenstein, Regional General Manager bei Smurfit Kappa. „Wir positionieren uns gegenüber den Hochschulabsolventen als attraktiver Arbeitgeber und schaffen damit gute Voraussetzungen für die Rekrutierung hochqualifizierter Führungsnachwuchskräfte. Zudem passt das Deutschlandstipendium gut zu unseren unternehmenspolitischen Nachhaltigkeitszielen, soziale Verantwortung zu übernehmen. Investitionen im Bereich Bildung sind auf alle Fälle ein positiver Beitrag für unsere Gesellschaft. Und uns sind die persönlichen Kontakte wichtig“, so Weißenstein weiter.
Der persönliche Kontakt steht bei Christina Reindl ganz oben auf der Liste, wenn sie an die Vorteile denkt, die sich für sie durch das Deutschlandstipendium ergeben haben. Sie steht im E-Mailkontakt mit ihren Ansprechpartnern und kann jederzeit anrufen. „Die kennen sich einfach aus. Wir können alles fragen, über Praktika, Abschlussarbeiten, Vorstellungsgespräche oder einfach, was eine bestimmte Abteilung in einer Firma überhaupt macht. Aber wir reden auch ganz normal, wie es uns geht und wo wir in den Urlaub hin fahren. Es ist einfach nett“ erzählt Christina Reindl. Aus ihren Urlauben schreibt sie immer eine Karte.
Natürlich ist auch das Geld, immerhin stolze 300 Euro im Monat mehr auf dem Konto, für Christina Reindl ein großer Pluspunkt. „Ich weiß, dass ich gute Leistungen hatte, jetzt darf ich mir eben auch mal ein bisserl was leisten“, sagt die sympathische Studentin. Das darf sie. Zumal sie, mittlerweile im dritten Semester an der Hochschule, als Erstsemesterpatin, Mathe-Tutorin und Semestersprecherin weiterhin großes soziales Engagement beweist – unentgeltlich.
So werden Sie…
… Stipendiat beim Deutschlandstipendium:
Studierende können sich bei ihrer jeweiligen Hochschule für das Deutschlandstipendium bewerben. Die Hochschule gibt vor, welche Unterlagen einzureichen sind. An der Technischen Hochschule Deggendorf beispielsweise können Studierende sich von Mitte Dezember bis Anfang Februar bewerben. Die Bewerbung wird Online über ein entsprechendes Formular abgeschickt. Zudem müssen die Bewerber einen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben sowie ein aktuelles Notenblatt abgeben. Die Hochschule wählt die Stipendiaten aus. Ab Mitte März werden die Stipendienbescheide verschickt.
… Förderer beim Deutschlandstipendium:
Für das Deutschlandstipendium bedarf es privater Förderer, die sich entschließen, junge, leistungsstarke und engagierte Studierende für ein Jahr mit monatlich 150 Euro zu unterstützen. Diese Unterstützung darf jeder leisten, der es gerne möchte. Unternehmen, Stiftungen, öffentliche Einrichtungen aber auch Privatpersonen können sich engagieren. Es können sich auch mehrere Einzelpersonen zusammen ein Stipendium übernehmen, was beispielsweise für die ehemaligen Studierenden einer Hochschule interessant ist. Zwei Drittel der Stipendien an einer Hochschule dürfen zweckgebunden, d.h. für einen bestimmten Fachbereich vorgesehen, sein. Die Förderer melden sich bei der Hochschule, die sie gerne unterstützen möchten. Sie können außerdem zusätzliche Förderangebote wie Mentorenprogramme, Praktika oder Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen anbieten. An der Technischen Hochschule Deggendorf können in der kommenden Runde bis zu 75 Stipendien vergeben werden. Martina Heim und Katja Schneider vom Career Service stehen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung.