27.7.2015 |
Zwei Deggendorfer Studenten im Land des Karnevals
Oi, Brasil! Unsere Namen sind Franz Kellermann und Florian Fleming. Wir sind zwei Studenten der Technischen Hochschule Deggendorf und beschäftigen uns mit „Strategischem und Internationalem Management“. Ein Double-Degree-Abkommen mit der Universidade de Fortaleza (UNIFOR) hat uns vor wenigen Monaten in die Zwei-Millionen-Einwohner-Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Ceará geführt. Über unseren Aufenthalt berichten wir im Rahmen einer kleinen „Out of da Woid„-Serie für das Onlinemagazin da Hog’n.
Im Vorfeld unseres Auslandsaufenthalts galt es freilich einiges zu organisieren, um beruhigt in Frankfurt in den Direktflieger nach Fortaleza steigen zu können. So hatten wir unter anderem Bewerbungen an die UNIFOR geschickt und unsere Visa beantragt. Positiv überrascht waren wir über das unkomplizierte (und für deutsche Staatsbürger kostenlose) Visa-Verfahren und dessen schnelle Abwicklung. Nach der Zusage, dass wir unsere Studienplätze bekommen, hatten wir dann auch nicht lange Zeit zum Feiern: Wir mussten uns vielmehr um Auslandskrankenversicherung, einen geeigneten Übersee-Flug und viele weitere Dinge kümmern. Außerdem wollten wir mit ersten Portugiesisch-Kenntnissen nach Fortaleza reisen, weshalb wir uns für einen Kurs an der Volkshochschule anmeldeten. Da die Reisevorbereitungen jedoch genau mit der Prüfungsphase zusammenfielen, blieb nur wenig Zeit, die Sprache zu lernen. Wir buchten im Voraus ein Appartement in einer „Pousada“ (Gasthaus) für die ersten zwei Wochen, um vor Ort dann in Ruhe nach einer passenden Wohnung suchen zu können.
Am 14. Februar begann das Auslandssemester mit dem Flug von München über Frankfurt am Main nach Fortaleza in Brasilien. Als wir dort ankamen, wurde uns schnell klar, dass wir hier mit Englisch nicht sehr weit kommen. Doch die Kommunikation mit Händen und Füßen funktioniert am Ende dann meist doch immer… Vom Flughafen holte uns Klaus, der deutsche Besitzer des Gasthauses, ab. Er erzählte uns während der Fahrt Geschichten über die Kriminalität in Fortaleza. Viele Europäer denken, Brasilien sei bereits ein „hochentwickeltes“ Land – allerdings sei dies in manchen Gegenden noch so ganz und gar nicht der Fall…
Sicherlich: Viele Gebiete befinden sich auf gleichem oder sogar besserem Niveau als in Deutschland. Die Kriminalität ist in Fortaleza – wie auch im übrigen Brasilien – jedoch (immer noch) trauriger Alltag. Bei im Netz kursierenden Statistiken gehören die brasilianischen Städte in Sachen Kriminalitätsfaktor zu den gefährlichsten Orten der Welt. Wir hatten Glück, dass wir von Anfang an auf die Probleme, Missstände und Gefahren aufmerksam gemacht worden sind. Teils durch schier unvorstellbare Geschichten gab uns Klaus ein Gefühl dafür, wie wir uns in Fortaleza verhalten sollten. Denn hier sind Schießereien, Kidnapping und Raubüberfälle nichts Außergewöhnliches. So sollte man in Brasilien in der Öffentlichkeit keinen auffälligen Schmuck tragen, keine Kamera umgehängt haben oder das neueste Smartphone sowie Geldscheine offen zur Schau stellen. Außerdem macht es Sinn, mit Ortskundigen darüber reden, welche Gegenden es zu meiden gilt. Doch trotz aller Gefahrenpotzeniale: Fortaleza hat auch viele Vorzüge…
Nach rund zwei Wochen fühlten wir uns in unserem neuen Domizil dann auch schon „fast wia dahoam“. Die Hitze war mehr oder weniger erträglich (zumindest gefühlt), die Sonne hatte hier jedoch eine andere Wirkung als in Deutschland. Sonnenstrahlen waren trotz Regenzeit keine Seltenheit – und somit herrschte für uns hellhäutige Europäer permanente Sonnenbrandgefahr. Unsere Wohnungssuche ging bislang sehr bescheiden voran. Wir hatten große Probleme, mit unserem zugegebenermaßen mehr als ausbaufähigen Portugiesisch angemessen mit den Vermietern verhandeln zu können. Auch hatten wir Angst, über den Tisch gezogen zu werden, da wir logischerweise ja mit den Wohnungspreisen in Fortaleza nicht vertraut waren. Die Zeit nutzten wir zunächst dafür, die brasilianische Küche besser kennenzulernen. Die wichtigste Mahlzeit am Tag ist das Mittagessen, das um 13 Uhr stattfindet. Typisch für Brasilien sind Churrascos und das Gericht Feijoada.
Churrasco ist sehr verbreitet und beliebt in Brasilien. Darunter versteht man die lateinamerikanische Zubereitungsart von Fleisch über dem Feuer. In Brasilien wird jedes auf einer Churrasqueira (Churrasco-Grill) gebratene Fleisch Churrasco genannt. Und eine Churrascaria ist ein auf Churrasco spezialisiertes Restaurant, das man nahezu überall in Brasilien finden kann und häufig ein einfach eingerichtetes Restaurant oder Wirtshaus darstellt, in dem in der Regel nach dem All-You-Can-Eat-Prinzip bezahlt wird. Die bekanntesten Fleischzuschnitte in den Churrascerien sind: Picanha (Schwanzstück oder Tafelspitz), Maminha, Ripa Cupim und Contra Filé. Grillwürste und Hühnerherzen am Spieß werden oft als Vorspeise serviert. Feijoada wird in der Regel ausschließlich an Samstagen gegessen. Dabei handelt es sich um ein Gericht mit Reis, Bohnen, Fleisch und Soße. Sehr gut kombinieren lässt es sich mit einem leckeren Caipirinha…
Zu empfehlen sind ebenso die zahlreichen Sandstrände, von denenn in Brasilien 95 Prozent öffentlich zugänglich sind. Natürlich haben auch wir diese Gelegenheit genutzt und besuchten Strände wie etwa den Praia Iracema, den Beira Mar oder den Praia do Futuro. Vor allem Letztgenannter beeindruckte uns sehr: Der Strand besteht aus weißem Sand und ist mit vielen Bars und Liegestühlen bedeckt. Das Wasser ist kristallblau und klar. Allerdings muss man sich vor den meist stürmischen Wellen und der starken atlantischen Strömung in Acht nehmen…
Etwas Besonderes in Brasilien ist – wie jeder weiß – der Karneval. Es ist nicht nur so, dass während der großen Sause alle Geschäfte geschlossen haben – nein! Egal ob in Porto Alegre ganz im Süden des Landes oder Manaus ganz im Norden – einfach jeder Ort feiert Karneval. Und zwar jeder auf eine unterschiedliche Art und Weise. Meist ist es ein riesiges, prachtvolles und aufregendes Fest kurz vor der Fastenzeit. Bereits Wochen, teils Monate vorher starten die Vorbereitungen mit den Proben für den großen Samba-Umzug.
Der Karneval in Rio gilt vielen Einheimischen als „zu touristisch“ – viele bevorzugen den Karneval im „kleinen Kreis“, am Strand oder in kleinen Städten. Es gibt im Allgemeinen zwei unterschiedliche Arten von Karneval: den Straßen-Karneval sowie eine Art Festival. Die Straßenkarnevals sind dabei von Stadt zu Stadt (und selbst von Dorf zu Dorf) sehr unterschiedlich. Der wohl bekannteste Karneval ist der in Rio de Janeiro, wo viele Tanzschulen im Wettbewerb gegeneinander antreten, um die besten Tänzer und Tänzerinnen zu küren (die dann auch einen Geldpreis erhalten). Der Karneval in Rio ist – das wurde uns mehrfach von Brasilianern bestätigt – sehr touristisch angehaucht und daher bei den Eiheimischen eher weniger beliebt. Die meisten Brasilianer feiern entweder in kleinen Küstenstädten den Strandkarneval oder genießen die Straßen-Karnevals, wie zum Beispiel in Recife oder Salvador de Bahia. Wir haben Mitte Februar auf brasilianische Art und Weise ein Festival in Porto das Dunas, einen Strand von Fortaleza, besucht. Das Festival gestaltete sich wie eines, das man aus Europa kennt: Bands und Sänger traten vor einer großen Menschenmenge auf und verbreiteten gute Stimmung. Ein Unterschied bestand darin, dass bei diesem Festival fast nur brasilianische Künstler mit hauptsächlich portugiesischen Liedern auftraten. Der Musikstil klingt für „bayerische Ohren“ sehr interessant.
Im Nächsten Artikel wollen wir Euch mehr über unseren Unialltag an der Universidade de Fortaleza erzählen.
Obrigado – Servus!
Franz & Florian
Die beiden Studenten der Technischen Hochschule Deggendorf, Franz Kellermann aus Herzogsreut und Florian Fleming aus Ortenburg, berichten in einer dreiteiligen Hog’n-Serie über ihren Studienaufenthalt in Fortaleza in Brasilien. Während ihres sechsmonatigen Verbleibs im nordöstlichen Bundesstaat Ceará nehmen die beiden 25-Jährigen so gut wie alles mit, was zu Südamerika eben dazugehört – Fußball, Karneval und Caipirinha!
27.07.2015 | da Hogn