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Wie geht es weiter mit der Digitalisierung?

26.6.2017 |

20170626 deggendorfer forum zur digitalen datenanalyse 2017Nutzen und Grenzen von Big Data - Tagung an der TH Deggendorf

Die Digitalisierung dringt in immer mehr Lebensbereiche vor und macht neuartige Geschäftsmodelle möglich. Doch in Zeiten massenhaft verbreiteter falscher Nachrichten gewinnt die Frage an Bedeutung, wie viel Wahrheit in den Bergen digitaler Daten steckt. Eine Tagung an der Technischen Hochschule Deggendorf formulierte Zweifel daran, dass wir weitermachen können wie bisher. „Digitalisierung: No usual business anymore!“ lautete der Titel des 13. Deggendorfer Forums zur digitalen Datenanalyse (DFDDA).

So war im Juni zur diesjährigen Tagung im „Glashaus“ der TH Deggendorf der Wissenschaftsredakteur Joachim Müller-Jung von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) eingeladen. In seinem Initialvortrag sprach er darüber, „wie die Freiheit durch Algorithmen, Intransparenz und Datendiktatur bedroht wird“. Die sogenannte künstliche Intelligenz, die Computern das Lernen beibringt, sei ein „tolles Instrument“, sagte Müller-Jung. Doch als US-Wissenschaftler lernende Systeme die menschliche Sprache untersuchen ließen, übernahmen die Maschinen auch menschliche Vorurteile, wie etwa, dass Autos eine Sache für Männer sind und Küchenarbeiten eine Sache für Frauen. Müller-Jungs Fazit griffen mehrere Referenten auf: Auch die Ergebnisse künstlicher Intelligenz sind nur so gut, wie das, was man der Maschine an Daten vorgibt. Letztlich bleibe er optimistisch, bekannte Müller-Jung. Er sehe „viel Bewegung“ hin zu einem offenen, kontrollierten Umgang mit der Digitalisierung.
Gerade im Umfeld der Wirtschafts- und Finanzprüfung haben es die Experten mit großen Datenmengen zu tun, in denen sie Tendenzen, Fehler und oft auch Hinweise auf Betrugsversuche entdecken müssen. Dr. Martin Panek und Franz-Xaver Betz vom Bayerischen Landesamt für Steuerung und Betriebsprüfung stellten vor, wie es gelingt, eine Betriebsprüfung in Teilen zu digitalisieren und damit schneller auf die Punkte zu stoßen, die sich menschliche Betriebsprüfer genauer ansehen müssen. Ähnliches in der Wirtschaftsprüfung: Christian Bartmann von PricewaterhouseCoopers GmbH (PWC) präsentierte zusammen mit seinem Kooperationspartner Dr. Stephan Streller von der IBIS Prof. Thome AG ein System, Halo for SAP genannt, das mit Hilfe automatischer Datenanalysen einem Unternehmens komplexere Entscheidungshilfen zur Verfügung stellen soll. Und Dr. Jürgen Himmelmann gab einen fachlichen Einblick in die Commerzbank AG, die es im internationalen Zahlungsverkehr mit einer Vielzahl unterschiedlicher Regularien und Prüfungsanforderungen zu tun hat und dazu umfangreiche Systeme der Datenanalyse einsetzt.
Durch die Digitalisierung von Dienstleistungen und die Automatisierung von Dienstleistungen lassen sich neue Geschäftsmodelle entwickeln. Davon ist Prof. Dr. Oliver Thomas von der Universität Osnabrück überzeugt. Er wandte sich mit seinen Beispielen exemplarisch an die Tagungsteilnehmer aus dem Umfeld der Wirtschaftsprüfung. Digitalisierung und künstliche Intelligenz könnten es erlauben, so Thomas, eine kontinuierliche Prüfung vorzunehmen. Solch ein „audit-as-a-service“ (Prüfung als Dienstleistung) müsse „auf den Bedarf kleiner und mittelständischer Prüfungsgesellschaften ausgerichtet werden“.
Big-Data-Analysen müssen in allgemeinen Anwendungen nicht unbedingt genauere oder bessere Ergebnisse liefern. Welche Fallstricke so ein Analyseprojekt verfälschen kann, soll ein Lehrprojekt an fünf bayerischen Hochschulen den Studierenden vermitteln, unterstützt mit Mitteln des Landes Bayern und anhand echter Projekte mit realen Daten. Beteiligt an dem Projekt „Evidenzbasierte Entscheidungen auf Grundlage von Big Data Analysen“ (EEBDA) sind die TU München, die Uni Passau und die Hochschulen Deggendorf, Landshut und Würzburg-Schweinfurt. Die Studierenden sollen zum Beispiel lernen, so Prof. Dr. Jürgen Ernstberger und Dr. Joachim Schnurbus, dass die automatisierte Analyse großer Datenbestände kein Ersatz für das Verstehen von Zusammenhängen und für klassischer Methoden der Datenerhebung und Auswertung durch Experten ist. Schnurbus zeigte anhand von Beispielen, wie sehr allein die grafische Darstellung der Ergebnisse einer Big-Data-Analyse den Betrachter beeinflussen kann.
Braucht die Wissenschaft in Zeiten von Big Data noch theoretische Modelle, oder liegt die Wahrheit in den großen Datenmengen? Hinter dieser Frage steckt ein uralter Streit. Das zeigte Wolfgang Pietsch von der TU München zum Schluss der Tagung in einigen „erkenntnistheoretischen Betrachtungen zu datenintensiver Wissenschaft“ an Zitaten unter anderem großer Physiker wie Isaac Newton und Albert Einstein. Pietsch zog ein Fazit, das beiden Ansätzen eine Rolle zuweist: Ohne Wissen um das Wie und Warum, die Kausalität, lässt sich nicht beurteilen, wo ein datenintensiver Forschungsansatz sinnvoll ist. Ist aber der Schritt getan, erlaubt die moderne datenintensive Wissenschaft, auch auf Fragen, die bisher zu komplex waren, verlässliche Antworten zu geben.

Das Deggendorfer Forum für digitale Datenanalyse e.V. (DFDDA) hat sich zur Aufgabe gemacht, Wissenschaft, Hochschulausbildung und Praxis auf allen Gebieten der digitalen Datenanalyse in den Bereichen interne Revision, Wirtschaftsprüfung, Steuerrecht, Controlling und betriebswirtschaftliche Prozessoptimierung zu fördern. Das geschieht vor allem durch die ideelle und finanzielle Unterstützung der Lehre und Forschung an der Fakultät Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik der Technischen Hochschule Deggendorf. Hochschulübergreifend findet seit 2005 jährlich an wechselnden Tagungsorten das Deggendorfer Forum zur digitalen Datenanalyse statt. Seit 2009 dient zusätzlich die jährliche Stützpunktveranstaltung auf dem Campus der Technischen Hochschule Deggendorf dazu, den Teilnehmern konkrete, praxisrelevante Ansätze für die digitale Datenanalyse zu vermitteln.

Kontakt:
Prof. Dr. Georg Herde
Technische Hochschule Deggendorf
Fakultät Angewandte Wirtschaftswissenschaften
Dieter-Görlitz-Platz 1
94469 Deggendorf
Tel.: +49 (991) 3615 – 152
E-Mail: kontakt@dfdda.de

 

26. Juni 2017 | THD-Pressestelle (TK), Text: Rainer Klüting